OTL- Kopfhörerverstärker "Olli's Kopfhörer Amp":
Es bestand der Wunsch (meines ehemaligen Kollegen Olli P.) , einen einfachen aber hochqualitativen OTL- Kopfhörerverstärker (OTL=ohne Ausgangstrafo) zu bauen der 600 Ohm (Studio-) Kopfhörer bis zur Nennleistung, die bei 200mW liegt, ohne Verzerrungen aussteuern kann. Die Leistung sollte jedoch nicht so hoch sein, das die hochwertigen Kopfhörer überlastet werden oder gar durchbrennen können. Weiterhin sollte auch an 32 Ohm Kopfhörer noch eine kräftige verzerrungsfreie Lautstärke verfügbar sein. Nach einigen Tests mit ECC82 in Kaskodenschaltung mit 10mA Ruhestrom stellte sich heraus, das an 32 Ohm Kopfhörern doch etwas mehr Laustärke wünschenswert ist, oder anders ausgedrückt, das die Verzerrungen zu früh einsetzten. An 600 Ohm Kopfhörern schienen alle Wunsche bereits mit der ECC82 befriedigt. Es entstand eine Schaltung mit 1xECC82 als Vorverstärker und zwei ECC88 als Kaskoden- Klasse A Endstufe. Die Röhre ECC88 ist eine Spanngitterröhre, die besonders für Kaskode Schaltungen entwickelt wurde, sicherlich im Hinblick auf UKW Tuneranwendung. Für NF ist sie jedoch ebenfalls exzellent zu verwenden und sehr linear über einen großen Aussteuerbereich. Spanngitterröhren haben eine hohe Steilheit und einen besonders kleinen Durchgriff, was einen hohen Verstärkungsfaktor in Verbindung mit einem kleinen Innenwiderstand ermöglicht. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, das der Ausgangswiderstand einer Endstufe immer möglichst klein sein soll, was in der Röhrentechnik mittels eines Katodenfolgers bzw. einer Loftin-White Schaltung auch zu bewerkstelligen währe, haben Klangtests gezeigt, das Endstufen, die einen Dämpfungsfaktor etwas über 1 haben am besten klingen. Demnach sollte eine Endstufe, die an 600Ohm arbeitet, etwa 500Ohm Ausgangswiderstand haben. Die hier vorgestellte Schaltung bringt es auf etwa 3Kiloohm Ausgangswiderstand, der Dämfungsfaktor liegt also weit unter 1. Nun haben wir ja keine Lautsprecher mit Membranmassen von einigen Gramm, sondern nur eine superleichte Membran im Kopfhörer, die selbst bereits gut mechanisch gedämpft ist. Der Vorteil einer „hochohmigen“ Endstufe liegt darin, das der Lautsprecher (oder Kopfhörer) kaum in die Schaltung zurückwirken kann. Eine Gegenkopplung konnte auch aus diesem Grunde gänzlich entfallen.
Bei niederohmigen Endstufen wirkt durch die Gegeninduktion der Schwingspulen und die Trägheit der Membranmasse ein Gegenstrom vom Lautsprecher in die Endstufe hinein und beeinflusst so das Tonsignal.
Als Vorverstärker werkelt eine ECC82 mit einer Verstärkung von hier ungefähr 10-fach. Hier könnte ebenfalls eine ECC88 eingesetzt werden, mit etwas verändertem Rk und dann einer Verstärkung von ungefähr 25-fach. Die ECC88 Endstufe benötigt zur Vollaussteuerung hier nur 1Volt~ Effektivspannung. Die Ecc82 sorgt mit Ihrer Verstärkung dafür, das hier mit einer Line In Eingangsspannung von 200mV~ bei etwa halb geöffnetem Laustärkepoti Vollaussteuerung erreicht wird. Die Eingangs- und Treiberschaltung wurde besonders niederohmig ausgelegt um einerseits Störeinstrahlungen sehr gering zu halten, andererseits um eine niederohmige Ansteuerung der Endstufe an einem sehr niedrigen Gitterableitwiderstand von nur 120Kiloohm zu ermöglichen. Die ECC82 hat eine sehr große Aussteuerreserve, wenn man bedenkt, das sie mit 2,75Volt Gittervorspannung betrieben wird, jedoch nur mit 100mV angesteuert wird. Damit arbeitet die ECC82 in einem sehr linearen Bereich und erzeugt nur geringste Verzerrungen. Benutzt man ausschließlich 600 Ohm Kopfhörer, kann an Stelle des 470µF/200V- Auskoppel Elko auch ein Metallpapierkondensator mit mindestens 4,7µF benutzt werden. Mit dem 470µF-Elko werden auch 32 Ohm Kopfhörer noch ungebremst mit tiefen Bässen versorgt.
Das Netzteil wurde mit Drosseleingang ausgeführt, welcher einen geräusch- und störungsfreien Einsatz von Silizium Gleichrichtern ermöglicht, da hierbei der Recovery Effekt dieser Dioden nur minimal zum Tragen kommt. Als Ladeelko wurde ein sehr großer 470µF Typ benutzt. Es hat sich herausgestellt, das diese Siebung unzureichend ist und der Verstärker ganz leicht brummt. Der Netztrafo hat eine Ausgangsspannung von 245volt~, mit Drosselinput kommen wir da auf ca. 200volt Gleichspannung. Setzen wir nun einen Ladekondensator direkt nach der Gleichrichtung ein um die Siebung zu verbessern , steigt die Gleichspannung auf ca. 300volt, was für die ECC88 zu viel ist. Deshalb wurde nachträglich eine weitere Drossel mit 5Henry und ein weiterer Elko mit 100µF in die Siebkette eingefügt und das brummen war weg.
Wichtig ist der 68Kiloohm Widerstand, der für die rasche Entladung des 470µF Elko's sorgt, da sonst nach dem Ausschalten sehr lange Gleichspannung an den Röhren anliegt, was der Lebensdauer der Röhren nicht gerade dienen würde.
Der hier benutzte Trafo hat eine "Abschirmwicklung" bzw. eine Abschrimblechlage, die die Primärwicklung von der Sekundärwicklung für Hochfrequenz abschirmt, damit kann ein primärseitiges HF-Entstörglied entfallen. Die Eisenkerne der Drossel und des Netztrafo's sind mit Masse verbunden.
Zum Aufbau :
Es wurde als Gehäuse eine alte, große Zigarrenschachtel verwendet, da nur sehr begrenzte mechanische Bearbeitungsmöglichkeiten vorhanden waren. Die Schaltung ist wie bereits erwähnt sehr niederohmig ausgeführt, weshalb hierbei ein abgeschirmtes Gehäuse entfallen konnte. Die Verdrahtung wurde frei fliegend ausgeführt, die Röhrensockel bieten hier genügend Fixpunkte. Große Teile wurden auf der Grundplatte (Grundbrettchen) aufgeklebt oder angeschraubt, die Drossel ist nur festgeklammert. Wichtig ist ein zentraler Massepunkt und eine Sternerdung. Das fertige Gerät hat kein hörbares Brummen oder sonstige Störgeräusche.
Der Sound ist sehr filligran, man hört jedes kleinste zischen und knistern des CD-Players, Fingergeräusche an den Gitarrensaiten..kurzum: jede kleinste Nuance erscheint wesentlich deutlicher als gewohnt. Man hat ein Hörgefühl, das jedes Instrument für sich herraushörbar ist, so als hätte jedes sein eigenen Verstärker, keine Verdeckungen, auch bei hohen Lautstärken. Der Verstärker vermittelt einen ungewöhnlich großen und tiefen Raumeindruck, die Geräuschquellen sind trotzdem scharf lokalisierbar. Man möchte am liebsten seine gesamte Plattensammlung noch einmal durchhören.
Mario Benndorf, 16.09.2004